La Fête des Vignerons

– auch für das SAPA ein (Forschungs-)Thema!

Das (Forschungs)-Team des SAPA freut sich auf die Fête des Vignerons! Im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Forschungsprojekts zum Wirken des Theaterwissenschaftlers und Regisseurs Oskar Eberle befasst es sich mit der Geschichte des Winzerfests und beleuchtet insbesondere die unter Eberles Leitung realisierte Aufführung von 1955.

Das Winzerfest von Vevey ist eine «lebendige Tradition», deren Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen. Grundbesitzer schlossen sich zusammen, um die Qualität der Arbeit in Rebbau und Keller zu kontrollieren. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann die Zunft, den besten Winzer auszuzeichnen. 1797 fand die erste öffentliche Prämierung statt; die Fête des Vignerons war geboren! In der Mitte des 19. Jahrhunderts, der grossen Zeit der historischen Festzüge und Festspiele in der Schweiz, etablierte sich die Fête des Vignerons als Ereignis von nationaler Bedeutung, dem nahmhafte Schriftsteller, Regisseure, Musiker und Choreographen jeweils ihren Stempel aufdrücken. Jede Generation der Winzer aus dem Lavaux (Gebiet zwischen Pully und Bex) zelebriert das Geheimnis des Weinbaus, das Zusammenwirken von Natur, menschlicher Arbeit und Veredelungskunst, auf einzigartige Weise: Mit religiösen Prozessionen, Schauumzügen und Spektakeln auf Freilichtbühnen. Das Winzerfest von Vevey, das zu den ältesten Traditionen rund um den Weinbau gehört, wurde 2016 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Im Sommer 2019, vom 14. Juli bis 11. August, wird die traditionelle Organisatorin, die Confrérie des vignerons (Weinbruderschaft), der langen Reihe denkwürdiger Winzerfeste zweifellos ein neues Glanzlicht aufsetzen. Unter der künstlerischen Leitung des Tessiners Daniele Finzi Pasca, der durch Shows mit dem Cirque du Soleil und der Choreographie des Abschlussfests der Olympischen Spiele in Turin zu internationaler Berühmtheit gelangte, wird ein Weinfest inszeniert, das alles bisher Dagewesene in Schatten stellen soll. Die eigens für den Anlass errichtete Arena bietet Platz für 10’000 Darsteller und 20’000 Besucher!

Fête des Vignerons 1927

Oskar Eberle, Spielleiter der Fête des Vignerons 1955

Besonders gespannt auf die Gestaltung der in diesem Sommer stattfinden Aufführungen ist das Forschungsteam des SAPA, das sich im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekts «Oskar Eberle (1902–1956): Identitätsdiskurs, Theaterpolitik und Laienspielreform» mit den Fêtes des Vignerons befasst (siehe link). Als die Confrérie des vignerons anfangs der 1950er Jahre die Planung des Winzerfestes in Angriff nahm, war man sich einig, dass man den seit dem letzten Grossanlass veränderten Bedingungen Rechnung tragen und Neues wagen soll. Während kulturelle Darbietungen 1927 noch Seltenheitswert besessen hatten und die Freizeit knapp bemessen war, prägten nun Radio, Film und Fernsehen und eine breite Palette kultureller Veranstaltungen den Alltag der sich im wirtschaftlichen Aufschwung befindenden Nachkriegsgesellschaft. Nach längeren Beratungen über die grundsätzliche Ausrichtung der  Fête des Vignerons kam man überein, dass sie die «zweifache Eigenschaft als Fest der Arbeit und Schauspiel von hohem künstlerischen Wert» (Manual  9, 31.7.1952) behalten soll. Zum einen wollte man den lokalen Gegebenheiten Tribut zollen, zum anderen strebte man eine Öffnung der Festivitäten über die Grenzen der Suisse Romande hinaus an. Neben den Waadtländern Géo Blanc (Text) und Carlo Hemmerling (Musik), die für Authentizität sorgen sollten, ernannte man Maurice Lehmann, den Verwalter der Réunion des Théâtres lyriques nationaux de Paris, zum künstlerischen Leiter und übertrug die Inszenierung des Schauspiels dem Deutschweizer Oskar Eberle, dem damals profiliertesten Laienspielregisseur der Schweiz. Oskar Eberle hatte sich in der Innerschweiz einen Namen gemacht mit der Wiederbelebung religiöser Spieltraditionen und den Aufführungen von Calderons «Grosses Welttheater» auf dem weiten Platz vor der Einsiedler Klosterkirche in den Jahren 1935, 1937 und 1950. Landesweit berühmt wurde er durch die Leitung nationaler Festspiele: an der Landesausstellung 1939 in Zürich inszenierte er Edwin Arnets «Das eidgenössische Wettspiel» und anlässlich der 650 Jahr-Feier der Eidgenossenschaft 1941 in Schwyz führte er das von Cäsar von Arx verfasste «Bundesfeierspiel» auf.

Nach Aussagen von Zeitgenossen markierte die Inszenierung des Winzerfestes 1955 in Vevey den Höhepunkt von Eberles Theaterkarriere. Die ersten Aufführungen waren zwar nicht ausverkauft und zeugten von einer gewissen Skepsis des Publikums gegenüber der Neuinterpretation der traditionellen Veranstaltung, doch nachdem begeisterte Zuschauerberichte die Runde gemacht hatten, setzte ein regelrechter Run nach Vevey ein. Schliesslich mussten Zusatzvorstellungen organisiert werden, um die Nachfrage zu bewältigen. Die Fêtes des Vignerons 1955 wurden zu einem spektakulären Erfolg, auch in finanzieller Hinsicht. Mit einem Ertrag von 1,2 Millionen Franken hatte wohl niemand gerechnet! Ein hervorragendes künstlerisches Leitungsteam, Auftritte professioneller Tänzer und Sänger sowie streng choreographierte Massenszenen mit hochmotivierten Laiendarstellern hatten, zusammen mit den neuen technischen Möglichkeiten der Beleuchtung, die auch Nachtvorstellungen erlaubten, das Ihre dazu beigetragen. Einen Einblick in die Inszenierung von 1955 gewinnt man durch die auf der Website der Winzerbruderschaft gezeigten Filmausschnitte und Bilder:

Leider konnte Oskar Eberle die Früchte des Triumphs in Vevey nicht lange auskosten. Schon im folgenden Jahr starb der an einer unbehandelten Blinddarmentzündung – mitten in den Vorbereitungen einer Neuinszenierung des Willhelm Tell in Altdorf.

Fête des Vignerons 1905